Mit dem Auto unterwegs zu sein – das ist für Hendrik, technischer Vertriebsspezialist bei Pepperl+Fuchs, nichts Ungewöhnliches. Von März bis Ende Mai fuhr er in seiner Freizeit als freiwilliger Helfer der Hilfsorganisation Civil Relief Munich an die polnisch-ukrainische Grenze, um Flüchtlinge zu Gastfamilien in und um München zu bringen.
Hallo, Hendrik! Was hat Dich dazu bewegt, Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, und warum hast Du Dich für diese Art der Unterstützung entschieden?
Hendrik: Die Tatsache, dass es plötzlich in Europa einen Krieg gab, hat dieses schreckliche Thema für mich so greifbar gemacht, dass ich gar nicht anders konnte, als zu helfen. Durch einen LinkedIn-Beitrag wurde ich zufällig auf die Organisation Civil Relief Munich aufmerksam, die für den Transport schutzbedürftiger Menschen aus der Ukraine ehrenamtliche Fahrer*innen suchte. Ich fühlte mich sofort angesprochen und meldete mich direkt für das folgende Wochenende an. Da ich es als Außendienstler ohnehin gewohnt bin, lange im Auto unterwegs zu sein, und sehr ausdauernd und sicher fahre, lag es für mich nahe, mich in dieser Form bei Civil Relief Munich einzubringen.
Freitags kam dann der Anruf der Organisation, dass ich samstags um 18 Uhr in München sein sollte und um 19 Uhr Abfahrt ist. Seit meinem ersten Einsatztag am 19. März habe ich viele weitere Fahrten unternommen. Um mich noch intensiver einbringen zu können, hatte ich Anfang April eine Woche Urlaub genommen. Wenn ich in dieser Zeit mal nicht gefahren bin, dann unterstützte ich den Fuhrpark vor Ort in München, indem ich die Fahrzeuge mit Hilfsgütern beladen und sie für die Fahrten vor- und nachbereitet habe.
Täglich fuhren Konvois mit zehn bis 25 Fahrzeugen…
Wer ist Civil Relief Munich eigentlich, und was macht die Organisation genau?
Hendrik: Civil Relief Munich ist eine durch Spenden finanzierte Organisation, die in Krisenzeiten ad hoc eine Großzahl an freiwilligen Helfer*innen, Unterstützenden und Netzwerken mobilisiert, um schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten, wo sie am dringendsten benötigt wird. Bis Ende Mai fuhren täglich Konvois mit zehn bis 25 Fahrzeugen zu mehreren Orten an der polnisch-ukrainische Grenze, um schutzbedürftige Personen auf direktem Weg zu den von Civil Relief Munich vermittelten Gastfamilien in und um München zu bringen. Außerdem lieferten die Konvois täglich Medikamente, Lebensmittel und spezifisch angeforderte Hilfsgüter an die Grenze. Diese wurden dann von den ukrainischen Ansprechpartner*innen vor Ort dort abgeliefert, wo sie gebraucht wurden. Seit dem 24. Mai haben sich die unterstützenden Maßnahmen der Organisation allerdings etwas verändert. Civil Relief Munich bemüht sich, sich immer den neuen Gegebenheiten anzupassen und dementsprechend dort Hilfe anzubieten, wo sie gebraucht wird.
Fahrten für Flüchtlinge nach Deutschland
Wie lief denn so eine Fahrt für gewöhnlich ab?
Hendrik: Nach einem anderthalbstündigen Fahrerbriefing fuhren wir in der Regel gegen 19.30 Uhr los. Um die Strecke von über 1.000 Kilometern ohne großen Halt durchfahren zu können, sind bei jedem Konvoi zusätzlich ein paar Springer dabei, mit denen man sich beim Fahren abwechseln konnte. Während der Fahrt erhielten wir die Information über unseren genauen Zielort an der polnisch-ukrainischen Grenze – also, um welche Stadt und ob es sich zum Beispiel um eine Tankstelle, einen McDonald’s oder ein Lagerhaus handelt. Wir kamen meist gegen 7, 8 Uhr morgens an. Dann tankten wir die Fahrzeuge wieder voll, machten uns kurz frisch und luden die Hilfsgüter aus.
Vor der Rückfahrt teilte die Konvoiführung die Geflüchteten auf die einzelnen Fahrzeuge auf. Kurz bevor es losging, bekamen wir Fahrer*innen die Adresse der jeweiligen Gastgeberfamilien unserer Fahrgäste. Für den Fall, dass noch nicht alle Sitzplätze im Auto belegt waren, fuhren wir die Bahnhöfe in der Nähe ab. Dort schauten wir, ob wir noch weiteren geflüchteten Menschen eine Fahrt nach Deutschland anbieten konnten. Falls diese Personen noch keine Unterkunft haben sollten, versuchte das Wohnungsteam von Civil Relief Munich während unserer 12 bis 15 Stunden dauernden Rückfahrt eine Unterbringung für sie zu organisieren. Für diejenigen, denen bis zur Ankunft in Deutschland keine Gastfamilie vermittelt werden konnte, ging es erst einmal zur Erstregistrierung auf das Münchener Messegelände.
Welche Herausforderungen gab es?
Hendrik: Zum Glück erreichten die Organisation sehr viele Hilfsgüter und andere Spenden – zum Beispiel hat auch Pepperl+Fuchs uns finanziell unterstützt. Das funktionierte sozusagen auch auf Bestellung. In diesem Fall bekam Civil Relief Munich beispielsweise von einem ukrainischen Kinderheim die Information, dass dort je zwei Waschmaschinen und Trockner gebraucht werden. Civil Relief Munich besorgte diese dann über Geld- oder Sachspenden und lieferte sie aus. Die Organisation kümmerte sich auch darum, dass Geflüchtete und Gastfamilien zusammenpassen. So wurde zum Beispiel eine Mutter mit einem 14-jährigen Sohn, der gern Fußball spielt, in eine Familie vermittelt, die ebenfalls fußballbegeisterte Kinder hat. Es war so schön zu erleben, wie man gemeinsam für eine gute Sache ganz ungewohnte Kraftreserven mobilisiert und welche Dankbarkeit uns entgegengebracht wurde.